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Bleisatz und Unicode: Zeichen der Welt


Wiedergewinnung innovativer Möglichkeiten in Glückstadt

3 Phasen Konzept

von Walter Koch


Historisches Umfeld

Man kann den Wert des glückstädter Stadtprojektes als internationaler Fluchtstadt (1617) und seine fast 400 Jahre alte Druckereigeschichte gar nicht hoch genug einschätzen. Es ist sicherlich kein Zufall, dass in dieser Stadt der Spät-Renaissance in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Wissenschaftsverlag Weltgeltung erlangte, der aus den Beschwerden der Fachleute über die großen, aber unflexiblen Staatsdruckereien in Wien und Paris erwuchs und der als Autoren-Verlag für die bedeutendsten Forschungs-Institute Europas und der USA arbeitete( 1) . Wirtschaftlich stützte sich der Inhaber Heinrich Wilhelm Augustin auf seine direkten Kontakte im Universitätsmilieu, auf den Einsatz damals avanciertester Technik (Monotype-Setzmaschinen) und auf die Tradition einer Jahrhunderte alten Akzidenz-Druckerei.

Das weltoffene Erbe des dänischen Königs Christian IV., zu dem die Ansiedlung sephar-discher Juden, vollständige Religionsfreiheit und die Ermunterung unternehmerischer Initiativen gehörte, hat ebenso zur Prägung einer kreativen Atmosphäre beigetragen wie die (historisch sehr viel spätere im Verlag Augustin entstandene) Vernetzung mit Hamburg und New York.

Arbeitsphasen

Eigenen Forschungen, die sich auf Möglichkeiten internationaler Bibliotheksentwicklung im Bereich nicht-prestigehaltiger Sprachen und Diskurse beziehen, haben uns immer wieder mit de von J. J. Augustin geschaffenen Öffentlichkeit vertraut gemacht. Aus dieser Rezeption (2) ergibt sich heute, ausgehend vom 375 jährigen Firmen Jubiläum im Jahr 2007, so etwas wie

(a)
ein minimaler Rettungsplan im Sinne der Sensibilisierung universitärer und lokaler Öffentlichkeiten, um die mangelnde Würdigung und die eventuelle Demontage des Augustinschen Erbes zu stoppen. Eine ideelle Förderung des Vorhabens durch die heutige Firma ist nicht unmöglich, zunächst aber auch nicht zwingend, da es sich um „Weltkulturerbe“ handelt. Darüber hinaus könnte eine Wanderausstellung unter dem Titel „Bleisatz und Unicode. Zeichen der Welt“ die Öffentlichkeit für den Gedanken der Revitalisierung interessieren.

(b)
die Konzeptentwicklung eines lebendiges Wissenschafts- und Sprachen-Museum („Zeichen der Welt“), das die Arbeitsweise und die globale Funktion von J. J. Augustin anschaulich vor Augen führt. Original-Objekte der heute noch produzierenden, aber seit langen geschrumpf-ten Firma, Nachbildungen bereits verlorener Dokumente, bzw. Leihgaben anderer Samm-lungen, Museen und Bibliotheken sollten mehr und mehr für Glückstadt zusammengetragen werden. Wichtig ist in dieser zweiten Phase die Wiederauferstehung des verlegerischen und technisch-industriellen Ambientes in situ .

(c)
ein Dokumentationszentrum der Autoren, globalisierter Informationsquellen und zukünftiger Abnehmer, welches den Museumsplan realisiert und mit den Kommunikationsstrategien der Wissensgesellschaft verbindet. Glückstadt könnte so zum Ort neuartiger Begegnungsmög-lichkeiten (im Sinne eines Kulturavantgardismus demokratischer und menschenrechtlich orientierter Gesellschaften) werden. Zusätzlich geht es daher um die Ansiedlung innovativer Unternehmen, vielleicht auch um die Eröffnung einer Gedenk- und Forschungsbibliothek. Im Sinne Hannah Arendts bekäme der Dialog zwischen „Wissen“ und „Handeln“ so einen privilegierte Ort.

Durchführung

(2007)
Die Würdigung des Firmenjubiläums durch eine Ausstellung ist eine Ouvertüre im Sinne des „kulturellen Minimums“. Sowohl unsere eigene Bibliothek, wie auch die einschlägigen Staatsbibliotheken (Hamburg, Kiel, etc.), das Museum der Arbeit, die Stadt Glückstadt und ihre Einrichtungen können für die Erarbeitung gewonnen werden.

(2008- 10)
Deren Wirken aber wird nicht ausreichen, wenn nicht Stiftungen, politische Gremien, Verbände und Prominente eingebunden werden, damit nach der „Wanderphase“ das Erbe der fast 400 jährigen Buchdruckgeschichte erschlossen und konzentriert werden kann. In dieser zweiten Phase muss das von Auszehrung bedrohte Firmengelände J. J. Augustin ( im Sinne der UNESCO ein Welt-Kulturerbe!) praktisch revitalisiert werden. Das geht natürlich nur in Zusammenarbeit mit den Eignern. Auch heute noch mühselig gepflegte Wohn- und Produktionsgebäude (aus dem 17., 19. und dem frühen 20. Jahrhundert) können verfallen, wenn die Öffentlichkeit nicht bald eingreift ...

(ab 2011)
In einer dritten Phase sollten die zukunftsorientierten neuartigen Wissenschafts- und Wirtschaftsinitiativen (s. o.) entstehen, die Glückstadt wieder den Anschluss an die internationale Entwicklung ermöglichen.

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(1) z. B. in den Fächern Ägyptologie, Sinologie, Indologie, Alt-Amerikanistik, Orientalistik
(2) vgl. den sozio-kulturellen Zielgruppenansatz der HAB Hannover unter:www.ha-bib.de

Literaturhinweise:

Möller, H. R., Glückstadt. Ein Führer durch das Stadtdenkmal und seine Geschichte, 1996

Handbuch der Bibliothekswissenschaft, Bd. 1, Schrift und Buch, 1951

Lange, H. W. Das Buch im Wandel der Zeiten, 1951

Schottenloher, K., Bücher bewegen die Welt, 2 Bde. 1951/52

Bogeng, G. A. E., Geschichte der Buchdruckerkunst, 2 Bde., 1930/40

Hadert, H., Druck-Lexikon, 1956

Festschriften der Firma J. J. Augustin zum 300. und zum 350 jährigen Bestehen (Glückstadt 1932, 1982) des königlich-dänischen Druck-Privilegs von 1632

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