Jahresbericht (Dezember 2012)



Liebe Freunde des Hannah Arendt Hauses,

so eine Art Jahresbericht soll es sein? Jedenfalls meint Reinhard Laube das! Nun, lasst mich berichten! Wie gewohnt, folge ich dabei einem Stil, der unser Agieren wie ein spotlight kurz aufblitzen lässt und so das zu häufige Beschweigen durchbricht... Nicht so sehr folge ich einem vorgegebenen Schema: vielleicht wird auf diese Weise neben der Enumeration äußerer Fakten auch der Kern unseres Strebens deutlich?

I. Mittwochskreis :

Machtsoziologie, Außenpolitik und Globalisierung (Europa, Nordafrika, Sahel-Zone, Westasien, China, Indonesien)

Im Mittwochskreis konzentriert sich tagespolitisches Denken, seine wissenschaftliche Fundierung und die Zuwendung zur Welt. Paradigmen von Kant, Weber, Arendt, Elias und Bourdieu spielen ihre Rolle... (Dank an: Abdolali Faridzadeh, Marc Oppermann, Jürgen Castendyk).

II. Ausländische Besucher und Flüchtlinge :

Es ist schon erstaunlich, dass uns nach dem ersten Jahr des arabischen Frühlings nun ein ganz anderes Interesse an unserer Arbeit entgegengebracht wird: aus Norwegen besuchte uns der muslimische Theologe Muhammed Mashuq Khaznawi (Syrien), aus Tunis, Amman (Jordanien), Tanger und Düsseldorf waren es Studierende, Direktoren, aber auch Mitarbeiter und Leiter von Kulturzentren, die 2011/12 den Weg nach Hannover fanden. Über das ICORN-Netz der Fluchtstädte (www.icorn.org/) erhalten in Europa jetzt nicht mehr nur klassische Autoren der Print-Medien Stipendien sondern auch bedrohte „Blogger“. In der jüngsten Ausgabe der „Zeit“ fanden wir, eher zufällig, Informationen zur segensreichen Tätigkeit der Stadt Krakau bei der Aufnahme junger ägyptischer Autoren (www.zeit.de/2012/46/Aegyptischer-Blogger-Kareem-Amer). Genaueres zur vita von Kareem Amer (als einem aus der Al Ahzar Universität verwiesenen Studierenden und von Islamisten bedrohten Revolutionär im europäischen Exil) findet man auch unter seinem Blog (www.kareem-amer.com/2012/09/blog-post.htm ; www.conradfestival.pl/en/4/1/325/kareems-krakow-refuge).

III. Andere Arbeitskreise, Internet-Präsenz:

Praktikanten, Redakteure, Studienanfänger, Studienabbrecher Ein weiteres permanentes Projekt ist unser Web-Auftritt als Bibliothek und zukünftigem „Haus“. Unter www.ha-bib.depflegen Daniel Dornis, Abdeslam Tribak und Mustapha El Jouhari Veröffentlichungen und Termine in unseren Internet-Auftritt ein. Besten Dank!

Die 2. Jahreshälfte 2012 wurde mitgeprägt von unserer Praktikantin Maria Graf, Studierende an der Hochschule Hannover im Studiengang Informationsmanagement, immerhin jemand „vom Fach“! Maria hat neben der Unterstützung der GBV-Katalogisierung für unsere Zeitschriftensammlung, die Neuanschaffungen und bei der Akquisition weiterer Mittel aus dem Programm „Lokaler Integrationsplan“ (LIP) mitgewirkt. Entstanden ist durch ihre intensive Recherche eine Power-Point-Präsentation zu europäischen Fremdsprachenbibliotheken, die im Rathaus der Stadt Hannover öffentlich präsentiert wird (Februar 2013). Maria ist eine der wenigen, die die verschiedenen Fremdsprachen-Bibliotheken tatsächlich besucht hat und mit den Mitarbeitern Interviews durchführte.

IV. Neuanschaffungen und Veröffentlichungen

Nachdem wir bereits die Sammlung Goraschi als Schenkung erhielten, konnte der Bestand unserer Arendt-Sammlung (Projektbereich „Politik“) in diesem Jahr um den Nachlass des hannoverschen Soziologen Ralf Kulla erweitert werden (Dank an Frank Puin, Abdi Faridzadeh und Arno Kundlatsch). Kulla hat u.a. über „Republikanischen Geist und Republikanische Freiheit“ publiziert (www.offizin-verlag.de/themes/kategorie/detail.php?artikelid=23).

In der Schriftenreihe der Hannah Arendt Bibliothek wurde als Nr. 3/2011 der Prospekt unseres Vereins „Hannah Arendt Bibliothek - Haus des Buches“ aufgenommen. Hier findet man die Motive, die zur Gründung des Vereins führten. Der Prospekt beschreibt aber auch die bisher geleistete Arbeit. Im Sommer 2012 erschien in der (zusammen mit Oskar Ansull herausgegebenen) Reihe „Leinebögen“ „Kopenhagen an der Elbe - ein europäisches Stadtprojekt“ (Dank an Daniel Dornis, Stafan Hirsch, Jürgen Bönig, Michael Reimers). www.ha-bib.de/debatte/texte/Fortuna63.pdf

V. Internationale-Online-Bibliothek-Hannover:

Katalogisierung, LIP, Arbeitsalltag

Das Basisprojekt, an dem wir bereits im 3. Jahr arbeiten, hat die entscheidenden Hürden genommen: in der Kooperation mit der Stadtbibliothek Hannover werden die Bestände der Immigranten-Community-Bibliotheken in den Gemeinsamen Verbundkatalog (GBV) eingepflegt. Dabei ist zu beobachten, dass großartige „deutsche“ Institutionen (wie der GBV oder die Stadtbibliothek) durch unsere Auslegung des „Integrationsdiskurses“ sich die Fähigkeit, mit Fremdsprachenbeständen umzugehen, Schritt für Schritt aneignen. Hebräisch, Griechisch, Persisch sind seit diesem Jahr keine Hürden mehr und auch an der Aufnahme moderner chinesischer Titel wird fleißig gearbeitet!

Vorbei sind die Anfangsschwierigkeiten, die in der Präferenz für deutschsprachige oder in’s Deutsche übertragene Literatur bestand! Wir danken: Carola Schelle Wolf, Susanne Harnoth, Uwe Nietiedt (Stadtbibliothek Hannover), Wai Man Ho (Chinesische Leihbibliothek), Kai Schweigmann Grewe, Alisa Bach (Jüdische Bibliothek), Abdi Faridzadeh (Iranische Bibliothek), Amalia Sdroulia (Pontisch-Griechische Bibliothek), Maria Tsenekidou, Stefan Hirsch, Mario Viergutz, Moritz Blum, Maria Graf (Hannah Arendt Bibliothek).

www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Soziales/Integration-Zuwanderung/Der-Lokale-Integrationsplan/

VI. Andere Projekte

G. E. Lessing: Nathan der Weise hebräisch, arabisch, deutsch

Das Nathan-Projekt ist in diesem Jahr nur in dem Sinne weiter gekommen, dass die Friede-Springer Stiftung uns bereits gemahnt hat, unseren Antrag doch endlich zu stellen. An die Antragsarbeit wollen sich Reinhard Laube und ich demnächst machen. Und doch ist das Fachgespräch weitergegangen. Wir danken daher Marc Oppermann, Jan Kühne (Hebräische Universität Jerusalem www.cgs.huji.ac.il/Kuhne.pdf) Mohamed Tahri, und Abdelkader Gonegai (Fakultät für schöne Literatur Casablanca), Fettah Diouri (Kulturzentrum Pavillon), Eric Lindner (Stiftung), Klaus Dieter Brunotte, Oskar Ansull, Katja Buck (Schneller-Schulen) www.friedenspaedagogik.de/blog/wp-content/uploads/2011/03/sm_2011-1-deutsch_web_01.pdf

G. Tillion: Völkerverständigung als Neubeginn

Im Germaine-Tillion-Projekt ist noch unentschieden, ob wir das Gesamtwerk präsentieren können bzw. eine dezidiert politische Aussage zum Arabischen Frühling erreichen oder nur die ethnologischen Fotos aus der tillionschen Promotion in der hannoverschen Marktkirche zeigen. Dank an Wolfgang Heuer, Ghislaine Fischer, Hanna Kreisel-Liebermann, Gudruhn Koch, Ulrich Schröder, Liesel Schulze-Meier, Akli Kebaili, Fettah Diouri, Ulrich Delius, Roland Drubig, Isabelle Jeuffroy (de.wikipedia.org/wiki/Germaine_Tillion).

J. J. Augustin: Von der Pleite einer Weltfirma zum Medien-Museum

Über den Stand des Projektes „Zeichen der Welt“ in Glückstadt ist gerade ein Artikel im Kulturteil der Zeit erschienen (Die Zeit, Nr. 47, 15.11.12b, S.62). Das ist kein Zufall. Das von uns und dem Museum der Arbeit in Hamburg angeregte Kulturzentrum J. J. Augustin tritt jetzt in seine Realisierungsphase. Allerdings sind wir wohl mit der schleswig-holsteinischen Denkmalpflege in einen heftigen Streit über unsere Rolle bei der Realisierung des Projektes geraten. Evtl. gibt es auch inhaltliche Differenzen. Meine Position können Sie/Ihr in „Kopenhagen an der Elbe“ (www.ha-bib.de/debatte/texte/Fortuna63.pdf) nachlesen. Kurz gefragt: geht es hier um ein Kulturdenkmal von nationaler, europäischer oder internationaler Bedeutung? Und, wer kann der Träger des zukünftigen Museums sein? An diesem Projekt wirken mehr oder weniger intensiv mit: Jürgen Bönig, Christian Bau, Haiyeu Liu, Marlene Grau, Gerhard Blasberg, Ulrich Koch, Michael Klingenberg, Michael Reimers, Ulrich Greiner, Michael Paarmann, Lüder Busch, Jan Peter Witte, Arthur Dieckhoff, Anette Ludwig, Wolfgang Voigt (www.shz.de/nachrichten/lokales/norddeutsche-rundschau/artikeldetails/artikel/druckerei-von-grosser-bedeutung.html).

VII. Kulturveranstaltungen, Podiumsdiskussion, Feste:

Januar 2012: Neujahrsempfang

Eingeleitet wurde das Jahr mit unserem fast schon traditionellen Neujahrsempfang am 21. Januar und einer Einführung in das Jahresprogramm (Dank an Boubker Moussalli, Mustapha El Jouhari und Aijaz Syed für das gute Essen und die perfekte Veranstaltungstechnik).

Juni 2012: Zur Lage in Syrien

Am 9. Juni luden die Kurdische Bibliothek (Tangezar Marinir) und die Hannah Arendt Bibliothek zu einem Vortrag und anschließendem Podium der Vertreter von Mehrheit und Minderheit im Spektrum der syrischen Opposition ein. Wer am lebendigen Objekt studieren wollte, wie charismatische Führung ausgeübt wird, für den war der Hauptreferent des Abends, Murshid Mashuq Alkhaznewi, ein Glücksfall. Und doch scheiterte sein Versuch die Opposition unter einem linksliberal oder gar sozialistisch interpretierten Islam zu einen wenige Wochen später in Kairo.

In diesem problematischen Sinne sind die Versuche der Stiftung „Wissenschaft und Politik“ Berlin möglicherweise vielversprechender für den Übergangsprozess (vgl. dort den Bericht Ferhad Ehme www.facebook.com/messages/#!/ferhad.e). Auch aus dem Kreis der Ezidischen Bibliothek Hannover kam Kritik an der von Dr. Alkhaznewi vereinten Gruppenvertretern.

September 2012: Betriebsausflug Glückstadt

Außer der Reihe gab es im Spätsommer für einen kleinen Kreis unseren „Betriebsausflug“: Michael Klingenberg, Hayue Liu und Walter Koch ließen sich von Ulrich Koch und Michael Reimers durch die Stadt Glückstadt und die Druckerei Augustin führen. (www.facebook.com/media/set/?set=a.3707418295946.2127980.1590216354&type=1)

Oktober 2012: Abschlussfeier Maria Graf

Das jüngste festliche Ereignis war dann der Doppel-Geburtstag Maria und Walter am 28.10.2012 nach ihrem dreimonatigen Praktikum (www.facebook.com/#!/walter.koch.54).

VIII. Eröffnung 2014, Finanzierung eines Lesesaals

Gerade die jetzige Phase der Katalogisierung lässt den Raum 1.6. in der Bürgerschule überbelegt erscheinen. Die Eröffnung einer kommunikativen Präsenzbibliothek plus Lesesaal im Jahr 2014 wird, Anregungen von Stefan Hirsch und Daniel Dornis aufgreifend, zur Anmietung eines zweiten Raumes im Kulturzentrum führen. Lesen und Recherchieren einerseits und „Sich-Begegnen“ und „Kommunizieren“ auf der anderen Seite sind eben ganz unterschiedliche Interaktionsformen: Auch sollte die Finanzierung des bibliothekarischen Teils unserer Arbeit dann nicht mehr nur über „politische Bildung“ und über Projektmittel laufen: Der bibliothekarische Service unserer Sammlung braucht seine eigene Finanzbasis!

Ein schönes Fest, einen erfreulichen Jahreswechsel und allerhand Chancen wünscht

Walter Koch