25.10.2008

Liebe Freundinnen, liebe Freunde der Hannah-Arendt-Bibliothek,

ein erster Ankauf von zweisprachiger Königsmythologie von hervorragender Satzqualität aus den Verlag Augustin brachte mich ins Grübeln. Ich hatte lange mit Herrn Prüss gesprochen, dem Eigner der Firma und dem großen Bewahrer einer Technologie-Sammlung. Das war, um historisch im Vagen zu bleiben ungefähr im Jahre 2001. Kaum hatte ich das gerade erworbene Königsbuch der Perser durchgeblättert, lenkten mich die Worte Walter Prüss erneut ab: er hatte gemeint: „Wenn Sie 8 Stunden als Drucker gearbeitet haben, dann sind sie bei Feierabend glücklich, Sie spüren dass sie gearbeitet haben. Computer-Technologie aber macht nervös und ob Sie etwas geleistet haben oder nicht, können sie nach dieser Arbeit nicht mehr spüren“. Noch ziemlich isoliert vor der Druckerei auf- und ab gehend, fragte ich mich, wo liegt die Perspektive, die synenergetische Effekte entbinden könnte, wie kann die „fortune“, die dieses kleine Elbuferstädtchen prägen sollte, wiederauferstehen? Hier war ja ein Gelingen gemeint, dass, zunächst den Grössenphantasien eines bedeutenden Herrschers entsprungen, sozusagen ein Untergangsszenario abwenden sollte? Christian der IV. von Dänemark, sein n i c h t glückender Eroberungsdrang an der Elbe, das immer noch vorhandene Gemeinwesen und ein Staatsprivileg für Andreas Koch führten mich zunächst zum Ersinnen einer kleinen List: ich glaubte damals, dass Jubeln helfen könnte. Runde Geburtstage sind ja die Momente, an denen Historiker anderen Menschen, z. B. Politikern abverlangen können, die Wiederkehr eines Ereignisses zu bejubeln. Wir Historiker erheben dann Einspruch gegen die Furie des Verschwindens, gegen Ignoranz und Verzweiflung. Und so überfiel ich die Kollegen in Hamburg mit folgendem Plan: im Jahr 2007 würde sich Glückstadt entscheiden müssen: wollte man das hoheitliche Gründungsdokument der Firma von 1632 und ein paar augustinsche Kostbarkeiten aus Bibliotheksbeständen annehmen und festlich bejubeln oder sollte, anders als 1932 oder 1982, die Leistung der älter und älter werdende Druckfirma nicht mehr gewürdigt werden... Wir kannten noch im Frühjahr 2007 die Reaktion der Verantwortlichen nicht und ebenso gut hätten die Glückstädter in das Klagelied: „Mit dem Buchdruck geht es so und so abwärts” einstimmen können.

Zunächst aber mussten noch ganz andere syn-energetischen Effekte erzeugt werden. Wir mussten uns sachkundig machen So sollten die grossen historischen Differenzen und Besonderheiten des glückstädter Projektes deutlich werden, damit wir nicht nach Planermanier über den grünen Tisch beschließen würden. Als Jürgen Bönig uns dann in einem anschaulichen Plädoyer die drucktechnischen Erneuerungen, die die verlegerische Spezialisierung und damit den wirtschaftlichen Erfolg Augustins im 20 Jahrhundert begleiteten, erläuterte, fielen in Hannover solche Schlüsselbegriffe wie: „Weltkulturerbe“ und „Weltdokumentenerbe“. Im Gegensatz zu Berlin, Wien oder Paris konnten sich die glückstädter Drucker nicht zu festangestellten oder geradezu verbeamteten Dienern des Hofes entwickeln. Ihnen wurde wahrscheinlich schon vor dem Tod des Herrschers, also vor 1648, klar, dass Staatsaufträge nur ein Zweig ihrer Tätigkeit sein könnten und sie den Markt des erblühenden „Blei-Zeitalters“ selber unternehmerisch erschließen mussten, wenn sie – Privileg hin, Privileg her --- überleben wollten. Diesem sich durchhaltenden privat-unternehmerischen Geist, der aber sehr wohl auch eine Vorstellung davon hatte, was Staat und Öffentlichkeit brauchen, verdanken wir nicht nur die Aufschwungsphasen und Erfolge, sondern auch die Krisen- und Bewältigungsstrategien der jeweiligen Eigner, ja wir verdanken heute im Nachklang der Augustin-Epoche des frühen 20 Jahrhunderts ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal für Glückstadts. „Zeichen der Welt“ als reale Produktionsanlage in der guttenbergschen Technologie ist inzwischen eben überall anderswo so gut wie abgeräumt, vernichtet oder bestenfalls konserviert worden bzw. war lediglich das „Zeichen e i n e s Landes“.

Das wertekonservierende Handeln der Familie Prüss verband sich mit unserer Sicht, dass wir es hier im deutsch-dänischen Grenzgebiet mit einem Weltkulturerbe im Sinne der UNESCO zu tun haben, so zusammen, dass eigentlich nur noch ein Pastor fehlte, der den Ausstellungsmachern von Zeichen der Welt ihren Namen verlieh. Jörn Thiessen Theologe und Bundestags Abgeordneter asu dem Kreis Steinburg Dithmarschen nannte die Zusammenarbeit von Staatsbibliothek, Hannah Arendt Bibliothek und Museum der Arbeit eine „Druckverschwörung“. Für diese etwas vorlaute Charakterisierung sollten wir ihm danken, denn das Jubeln über die „Schwarze Kunst“ und ihre museale Wiederbelebung durch Neueinstellung und Neuausbildung von kompetente Mitarbeitern sollte eine einzige Verschwörung werden, die noch durch zwei weitere Verschwörungen ergänzt werden muss:

um die ein lebendiges medientechnisches, aber auch gesellschafts- und sprachhistorisches Kulturzentrum nicht nur vom Wert seiner Sammlung her legitim ist, sondern eine öffentliche Aufgabe, die Bewahrung u n d Innovation zu verbinden weiss. Bis jetzt ist noch jede technische Revolution mit schweren gesellschaftlichen Verwerfungen einhergegangen und so sehen wir es auch als unsere Aufgabe an die hier aus Berlin Paris Wien, aber vor allem aus Glückstadt stammenden Belege der auf Völkerverständigung hindeutenden Buck-Zeichen auszustellen

Und so warne ich Gemeinde und Stadtverwaltung schon einmal: 2016 ist die Stadtgründung festlich zu begehen sein. Das könnte nicht ganz chancenlos für Sie sein.

 

Beste Grüsse,
Walter Koch